Schweizerisches Bundesgericht 4A_575/2022 - German - 7 August 2023
Country
Year
2023
Summary
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Beschwerde gegen den Teilschiedsspruch (Partial Award) des ICC-Schiedsgerichts mit Sitz in Genf vom 10. November 2022 (ICC Case no 23822/GR/PAR).
A.
A.a. Die B.________ Limited (Klägerin 2, Beschwerdegegnerin 2) ist eine nach dem Recht der heutigen Republik Südsudan organisierte Gesellschaft mit Sitz in U.________ (heute Republik Südsudan).
Die A.________ Ltd. (Klägerin 1, Beschwerdegegnerin 1) ist eine nach dem Recht der W.________ organisierte Gesellschaft mit Sitz in V.________ (W.________). Ihr einziger Zweck ist die Investition in die Klägerin 2.
A.b. Am 15. Oktober 2003 schlossen die C.________ Corporation ("C.________") als Lizenzgeberin und die Klägerin 2 als Lizenznehmerin einen Lizenzvertrag (sog. "Initial Licence") für den Betrieb eines Telekommunikationsnetzwerks in einem Teil der südlichen Republik Sudan (heute: Republik Südsudan) für die Dauer von 15 Jahren. Der Vertrag wurde gleichentags mit Amendment No. 1 ergänzt.
Am 6. Oktober 2007 vereinbarten das Ministry of Technology and Postal Services for the Government of Southern Sudan und die Klägerin 2 ein Amendment No. 2 zur Initial Licence. Artikel 10 von Amendment No. 2 enthält folgende Schiedsklausel:
"All disputes arising out of, or in connection with the present License shall be amicably settled. Failing such an amicable settlement within a period of 3 (Three) months as from the date of notification by one Party to the other that a dispute has arisen, such dispute shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce by one arbitrator appointed in accordance with the said Rules. The language of the arbitration shall be the English language and the place of arbitration shall be Geneva, Switzerland.
The arbitral award shall be final and binding and both Parties hereby waive any right they may have to appeal by any mean or nature or request the cancellation of any such award."
A.c. Gemäss Initial Licence und Amendments (alle zusammen nachfolgend: "Lizenzverträge") sollten die Klägerinnen ein Telekommunikationsnetzwerk in einem Teil des Gebiets der südlichen Republik Sudan (heute: Republik Südsudan) aufbauen und betreiben. Indes kam es zu Uneinigkeiten zwischen den Parteien in Bezug auf die Projektausführung.
A.d. Am 9. Juli 2011 erlangte die Republik Südsudan (Beklagte, Beschwerdeführerin) die Unabhängigkeit von der Republik Sudan.
B.
Am 26. Juli 2018 leiteten die Klägerinnen ein Schiedsverfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagte ein. Sie behaupteten, Verletzungen der Lizenzverträge hätten zu Verspätungen geführt und den Betrieb sowie die Entwicklung des Telekommunikationsnetzwerks beeinträchtigt. Sie seien gezwungen gewesen, den Betrieb des Telekommunikationsnetzwerks einzustellen, und die Lizenzverträge seien widerrechtlich beendet worden.
Konkret verlangten die Klägerinnen die Bezahlung von USD 597 Mio., 374.6 Mio., 1.6 Mio., 0.4 Mio., 1.2 Mio., 10.7 Mio., 144.4 Mio., 2.5 Mio., 11.3 Mio., 4.2 Mio. und 2.7 Mio. je "in nominal value", entsprechend USD 1.7 Mia., 566.6 Mio., 10.6 Mio., 1 Mio., 4.6 Mio., 25 Mio., 348.8 Mio., 5.8 Mio., 21.8 Mio., 7.7 Mio. und 5.4 Mio. per 2. August 2021, je nebst Zins.
Die Beklagte bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, die Gültigkeit der Lizenzverträge und ihre Haftung sowohl im Grundsatz als auch bezüglich der Schadensberechnung.
Am 19. Dezember 2018 ernannte der ICC-Gerichtshof den Einzelschiedsrichter.
Mit "Teilschiedsspruch" vom 10. November 2022 erklärte sich der Einzelschiedsrichter für zuständig zur Beurteilung der Streitigkeit zwischen den Klägerinnen und der Beklagten (Ziffer 781). Er stellte verschiedene Vertragsverletzungen respektive die Haftung der Beklagten fest (Ziffern 782-785), wies die Schiedsklage indes auch in verschiedenen Punkten ab (Ziffer 786 Bst. a-l) und äusserte sich zu Zinsen (Ziffern 787 und 788). Im Übrigen - insbesondere in Bezug auf die Schadensberechnung und Kosten - behielt der Einzelschiedsrichter den Endentscheid vor (Ziffer 789).
...
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 200'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 250'000.-- zu entschädigen. Diese Entschädigung wird aus der an die Bundesgerichtskasse bezahlten Sicherheitsleistung ausgerichtet.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Genf schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. August 2023
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts